Mai-Juli 1885 35 [1-84]
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Aberglaube über den Philosophen, Verwechslung mit dem wissensch[aftlichen] Menschen. Als ob die Werthe in den Dingen steckten und man sie nur festzustellen hätte. In wiefern sie unter gegebenen Werthen forschen (ihr Haß auf Schein, Leib usw.) Schopenhauer in Betreff der Moral. (Hohn über den Utilitarier) Zuletzt geht die Verwechslung so weit, daß man den Darwinismus als Philosophie betrachtet: und jetzt ist die Herrschaft bei den wissenschaftlichen Menschen.
Auch die Franzosen wie Taine suchen oder meinen zu suchen ohne die Werthmaße schon zu haben. Die Niederwerfung vor den “Facten,” eine Art Cultus. Thatsächlich vernichten sie die bestehenden Werthschätzungen.
Erklärung dieses Mißverständnisses. Der Befehlende entsteht selten, er mißdeutet sich selber. Man will durchaus die Autorität von sich ablehnen und in die Umstände setzen.— In Deutschland gehört die Schätzung des Kritikers in die Geschichte der erwachenden Männlichkeit. Lessing usw. (Napoleon über Goethe) Thatsächlich ist diese Bewegung durch die deutsche Romantik wieder rückgängig gemacht: und der Ruf der deutschen Philosophie bezieht sich auf sie, als ob mit ihr die Gefahr der Scepsis beseitigt sei, und der Glaube bewiesen werden könne. In Hegel kulminiren beide Tendenzen: im Grunde verallgemeinerte er die Thatsache der deutschen Kritik und die Thatsache der deutschen Romantik—eine Art von dialektischem Fatalismus, aber zu Ehren des Geistes, thatsächlich mit Unterwerfung des Philosophen unter die Wirklichkeit.— Der Kritiker bereitet vor: nicht mehr!
Mit Schopenhauer dämmert die Aufgabe des Philos[ophen], daß es sich um eine Bestimmung des Werthes handele: immer noch unter der Herrschaft des Eudämonismus (Spott über Hartmann) das Ideal des Pessimismus.