November 1887 - März 1888 11 [201-300]
11 [228]
Die Hauptarten des Pessimismus, der Pessimismus der Sensibilität (die überreizbarkeit mit einem übergewicht der Unlustgefühle)
Der Pessimismus des “unfreien Willens” (anders gesagt: der Mangel an Hemmungskräften gegen die Reize)
Der Pessimismus des Zweifels (: die Scheu vor allem Festen, vor allem Fassen und Anrühren)
die dazugehörigen psychologischen Zustände kann man allesammt im Irrenhause beobachten, wenn auch in einer gewissen übertreibung. Insgleichen den “Nihilismus” (das durchbohrende Gefühl des “Nichts”)
| Wohin aber gehört der Moral-Pessimismus Pascal’s? |
| der metaphysische Pessimismus der Vedanta-Philosophie? | |
| der sociale Pessimismus des Anarchisten (oder Shelley’s)? | |
| der Mitgefühls-Pessimismus (wie der Tolstoi’s, Alfred de Vigny’s)? |
— sind das nicht Alles gleichfalls Verfalls- und Erkrankungs-Phänomene? ... Das excessive Wichtignehmen von Moralwerthen, oder von “Jenseits”-Fiktionen, oder von socialen Nothständen oder von Leiden überhaupt: jede solche Übertreibung eines einzelnen Gesichtspunktes ist an sich schon ein Zeichen von Erkrankung. Ebenfalls das überwiegen des Neins über das Ja!
Was hier nicht zu verwechseln ist: die Lust am Neinsagen und Neinthun aus einer ungeheuren Kraft und Spannung des Jasagens—eigenthümlich allen reichen und mächtigen Menschen und Zeiten. Ein Luxus gleichsam; eine Form der Tapferkeit ebenfalls, welche sich dem Furchtbaren entgegenstellt; eine Sympathie für das Schreckliche und Fragwürdige, weil man, unter Anderem, schrecklich und fragwürdig ist: das Dionysische in Wille, Geist, Geschmack.