November 1887 - März 1888 11 [201-300]
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Kein Gott für unsere Sünden gestorben; keine Erlösung durch den Glauben; keine Wiederauferstehung nach dem Tode—das sind alles Falschmünzereien des eigentlichen Christenthums, für die man jenen unheilvollen Querkopf verantwortlich machen muß;
Das vorbildliche Leben besteht in der Liebe und Demuth; in der Herzens-Fülle, welche auch den Niedrigsten nicht ausschließt; in der förmlichen Verzichtleistung auf das Recht-behalten-wollen, auf Vertheidigung, auf Sieg im Sinne des persönlichen Triumphes; im Glauben an die Seligkeit hier, auf Erden, trotz Noth, Widerstand und Tod; in der Versöhnlichkeit, in der Abwesenheit des Zornes, der Verachtung; nicht belohnt werden wollen; Niemandem sich verbunden haben; die geistlich-geistigste Herrenlosigkeit; ein sehr stolzes Leben unter dem Willen zum armen und dienenden Leben.
Nachdem die Kirche die ganze christliche Praxis sich hatte nehmen lassen und ganz eigentlich das Leben im Staate, jene Art Leben, welche Jesus bekämpft und verurtheilt hatte, sanktionirt hatte, mußte sie den Sinn des Christenthums irgendwo anders hin legen: in den Glauben an unglaubwürdige Dinge, in das Ceremoniell von Gebet, Anbetung, Fest usw. Die Begriffe “Sünde,” “Vergebung,” “Strafe,” “Belohnung”—Alles ganz unbeträchtlich und fast ausgeschlossen vom ersten Christenthum, kommt jetzt in den Vordergrund.
Ein schauderhafter Mischmasch von griechischer Philosophie und Judenthum; der Asketismus; das beständige Richten und Verurtheilen; die Rangordnung; — — —