Sommer-Herbst 1873 29 [1-100]
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Analysis des Gelehrten, hinsichtlich seines Wahrheitssinnes.
1) Gewohnheit 2) Flucht vor der Langenweile 3) Broderwerb 4) Achtung bei anderen Gelehrten, Furcht vor ihrer Mißachtung 5) Erwerbssinn von etwas Eignem (es muß “wahr” sein, sonst rauben es die Andren wieder) 6) Knötchen knüpfen, Knötchen lösen.— Maaß des Wahrheitssinnes: beim Umwerfen einer alten Theorie, bei Angriffen auf ihren Stand, ihre Bildung, beim Lautwerden der Unzünftigen, Haß gegen die Philosophie, weil sie sich nichts aus dem Gelehrten macht. Die Unwahrheit, wenn sie in allgemeiner Geltung ist, wird von dem Gelehrten als Wahrheit behandelt. Furcht vor Religionen und Regierungen.— 7) Ein gewisser Stumpfsinn, sie sehen die Folgen nicht und sind mitleidslos. 8) Sie merken die Hauptprobleme des Lebens nicht, deshalb beschäftigen sie sich mit den kleinsten Problemchen, d. h. in der Hauptsache haben sie kein Bedürfniss nach Wahrheit. Daher giebt es nirgends eine Gelehrten-Republik, sondern immer nur eine Gelehrten-Ochlokratie. Verhaßt und durch Scherbengericht vertrieben ist der seltene geniale Kopf, der Wahrheitsfreund, ebenso der Künstler.