Sommer-Herbst 1873 29 [1-100]
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Hegel “das Interesse einer Biographie scheint direkt einem allgemeinen Zwecke gegenüber zu stehen, aber sie selbst hat die historische Welt zum Hintergrunde, mit welchem das Individuum verwickelt ist.” Daher also die Entschuldigungstitel “Demosthenes und seine Zeit” usw. Wenn es 10 Biographien aus Einer Zeit giebt, so hat man zehn Mal dasselbe: Buchmacherei! Über den “Geist der Zeit des Ambrosius und sogar—mit Lichter zu reden—etwas über die individuelle Paticularität Ambrosius, soweit sie mit dem Hintergrunde dieser Zeit verwickelt ist.”
Übrigens wäre alles ganz schön, wenn es nur nicht so absurd wäre, von “Weltgeschichte” zu reden: gesetzt es gäbe einen Weltzweck, so wäre es unmöglich ihn zu wissen, weil wir Erdflöhe und nicht Weltregierer sind. Jede Vergötterung der abgezogenen Allgemeinbegriffe, Staat, Volk, Menschheit, Weltprozess hat den Nachtheil, die Bürde des Individuums kleiner zu machen und seine Verantwortung zu erleichtern. Wenn es auf den Staat ankommt, dann liegt wenig am Einzelnen: wie jeder Krieg zeigt. In’s Moralische gewendet: wer dem Menschen den Glauben nimmt, dass er etwas Fundamental-Werthvolleres sei als alle die Mittel zu seiner Existenz, der macht ihn schlechter. Die Abstracta sind seine Erzeugnisse, seine Mittel zur Existenz—nichts mehr, nicht seine Herren. Es muss ihm als dem moralischen Wesen, jederzeit erlaubt sein, im Kampfe gegen übermächtig werdende, zu Zwecken umgedeutete Mittel zu Grunde zu gehen, d. h. Märtyrer zu werden: um nicht propter vitam vitae perdere causas.