Sommer-Herbst 1873 29 [1-100]
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Wer einmal nicht mehr in jedem Sperling, der vom Dache fällt, das Walten eines persönlichen Gottes sieht, der wird viel besonnener sein, weil er jetzt keine mythologischen Wesen, wie die Idee, das Logische, das Unbewusste usw. an dessen Stelle setzt, sondern den Versuch macht, mit einer blinden Weltbeherrscherin das Bestehen der Welt verständlich zu machen. Mag er also einmal von Naturzwecken absehn, noch mehr von dem Zwecke, den ein Volksgeist, oder gar den ein Weltgeist zu erfüllen habe. Wage er es, den Menschen als ein zufälliges Ohngefähr, als ein unbeschütztes und jedem Verderben preisgegebenes Nichts zu betrachten: von hier aus gelingt es ebenfalls den Willen des Menschen zu brechen, wie von dem einer göttlichen Regierung. Der historische Sinn ist nur eine verkappte Theologie “wir sollen es noch einmal herrlich weit bringen!” Ein Endzweck schwebt dem Menschen vor. Das Christenthum, das die Menschheit verdammt und seltne Exemplare herausnimmt, ist deshalb durch und durch unhistorisch, weil es leugnet, dass bei den folgenden Jahrtausenden etwas herauskäme, was nicht jedem jetzt schon und seit 1800 Jahren zu Gebote stünde. Wenn trotzdem die gegenwärtige Zeit durch und durch historisch gesinnt ist, so giebt sie zu verstehen, dass sie nicht mehr von dem Christenthum niedergehalten ist, dass sie wieder unchristlich ist, wie sie es vor ein Paar Jahrtausenden war.