Sommer-Herbst 1873 29 [1-100]
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Alles redet fortwährend vom Volksgeist, vom Unbewussten, von den Ideen in der Geschichte usw., aber für die Gegenwart kommt nichts dabei heraus. Man scheint nur zu schätzen, was aus dem tiefsten Borne des Volksgeistes unbewusst entspringt und praktisch macht man alles, möglichst bewusst und leider möglichst ungeschickt, nach: englischen Parlamentarismus, französische Moden und englische Krämermoral und französische, ja internationale Fortschritt-Phraseologien, dazu Gemälde aller Zeiten und Völker, und das Befremdende gilt nun einmal dem modernen Deutschen als der schönste Luxus. Man denke sich Freitag an der Siegessäule: was für Gefühle schwellen ihn an! Dann steht es freilich bei uns, wie der Schalk Hartmann erzählt, dass wir uns “seit dem letzten Jahrhundert jenem idealen Zustande nähern, wo das Menschengeschlecht seine Geschichte mit Bewusstsein macht” (p. 291); wir ahnen sogar den noch idealeren Zustand, wo die Menschheit mit ihrer Geschichte und mit dem Weltprozess überhaupt ein Ende macht und sich sammt der Welt “in’s Nichts zurückschleudert,” vielleicht nach telegraphischer Verständigung über den Erdball hin, dass dafür die Majorität (s. p. 640) gewonnen sei und mit der polizeilichen Verordnung, dass nächsten Samstag Abends pünktlich 12 Uhr die Welt untergehen soll, die überstimmte Minorität mit eingeschlossen. “Von morgen an wird keine Zeit mehr sein”: wozu Hartmann der Schalk citiren würde Offenbarung Johannis 10,6 (s. Philosophie des Unbewussten, p. 637).
Derselbe Schalk bezeichnet als die “vierte und letzte” Phase der socialen Entwicklung die freie Association: der Arbeiter ist zur Reife zu erziehen, diese Erziehung (durch Schultze-Delitzsch’sche Vereine, bessere Schulbildung, Arbeiterbildungsvereine usw.) zu üben, das ist die wichtigste sociale Aufgabe der Gegenwart. p. 296: “Das Endziel dieser socialen Entwicklung würde das sein, dass jeder bei einer Arbeitszeit, die ihm für seine intellectuelle Ausbildung genügende Musse lässt, ein comfortables Dasein führe.”