Winter 1884-85 31 [1-70]
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Wer wärmt mich, wer liebt mich noch? Gebt heiße Hände, gebt Herzens-Kohlenbecken!
Hingestreckt, schaudernd, Halbtodtem gleich, dem man die Füße wärmt, geschüttelt, ach! von unbekannten Fiebern, zitternd vor spitzen eisigen Frost-Pfeilen —
von dir gejagt, Gedanke! Unnennbarer, Verhüllter, Schöpferischer! Du Jäger hinter Wolken!
Darniedergeblitzt von dir, du plötzlich Auge, das mich aus Dunklem anblickt
— so liege ich, biege mich, winde mich, gequält von allen ewigen Martern, getroffen von dir, grausamster ewiger Jäger, du unbekannter Gott!
Triff tiefer, triff Ein Mal noch! Zerstich, zerbrich dies Herz! Was soll dies Martern mit zähnestumpfen Pfeilen?
Was blickst du wieder, der Menschen-Qual nicht müde, mit schadenfrohen Götter-Blitz-Augen? Nicht tödten willst du? Nur martern, martern?
Der du auch des Nachts heranschleichst, mich eifersüchtig athmen hörst, mein Herz behorchst, in meine Träume einsteigst,
in meine Träume gespitzte Zweifel und Pfeile werfend, herz-zerstechende: allzeit bereiter Henker-Gott, wozu!
Wozu mich martern? Was willst du dir erfoltern? Was willst du, daß ich rede?
Oder soll ich dem Hunde gleich vor dir mich wälzen, hingebend-begeistert-außer-mir dir Liebe zuwedeln?
Umsonst! Stich weiter, grausamster Stachel! Nein, kein Hund—dein Wild nur bin ich, grausamster Jäger!
Dein stolzester Gefangner, du Räuber hinter Wolken! Sprich endlich, was willst du, Wegelagerer, von mir? —
Du Blitz-Verhüllter, Unbekannter, sprich, du mein Gedanke: was willst du, unbekannter—Gott? —
Wie? Lösegeld? Was willst du Lösegelds? Verlange Viel—das räth mein Stolz. Und rede kurz—das räth mein andrer Stolz!
Haha! Mich willst du? Mich—mich ganz? Haha! Und marterst mich, Narr, der du bist, zermarterst meinen Stolz?
Gieb Liebe mir—wer wärmt mich noch, wer liebt mich noch! Gieb heiße Hände, gieb Herzens-Kohlenbecken —
gieb mir dem Einsamsten, den Kälte selbst nach Feinden, nach Feinden schmachten lehrt—gieb, ja ergieb, grausamster Feind mir—dich!
— Ha! Davon! Da floh er selber, mein letzter einziger Genoß! mein großer Feind! Mein Unbekannter! Mein Henker-Gott!
Nein! komm zurück, mit allen deinen Martern! Zum letzten aller Einsamen—oh komm zurück!
all meine Thränenbäche strömen zu dir den Lauf! Und meine letzte Herzens-Flamme—dir glüht sie auf! Oh komm zurück, mein unbekannter Gott! Mein letztes Glück! — —