Herbst 1885 - Herbst 1886 2 [101-210]
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Ein durch Kriege und Siege gekräftigter Geist, dem die Eroberung, das Abenteuer, die Gefahr, der Schmerz sogar zum Bedürfniß geworden ist; eine Gewöhnung an scharfe hohe Luft, an winterliche Wanderungen, an Eis und Gebirge in jedem Sinne; eine Art sublimer Bosheit und letzten Muthwillens der Rache, denn es ist Rache darin, Rache am Leben selbst, wenn ein Schwerleidender das Leben in seine Protektion nimmt. Dies Buch, dem nicht nur Eine Vorrede noth thun mag, ist aus vielen Gründen schwerverständlich, nicht durch ein Ungeschick seines Urhebers, noch weniger durch dessen schlechten Willen, sondern [durch] den letzten Muthwillen eines Schwer-Leidenden, der sich beständig über ein Ideal lustig macht, an das das Volk glaubt, welches er vielleicht in diesem Zustande erreicht hat.
— Und vielleicht habe ich ein Recht, über diese Zustände mitzureden, weil ich ihnen nicht nur zugesehen habe.
Ich zweifle nicht: es war der Zustand des Weisen, wie ihn das Volk sich denkt, über den ich damals mit einer ironischen Selbst-Überlegenheit hinweglebte: die sanfte Unfruchtbarkeit und Selbstbefriedigung des Weisen, wie ihn sich das Volk denkt, das Abseits und Jenseits des “Rein-Erkennenden,” der ganze sublime Onanismus eines Geistes, dem der gute Wille zur That, zur Zeugung, zum Schaffen in jedem Sinne abhanden gekommen ist. Wer fühlt mir das wunderliche Glück jener Zeit nach, in der das Buch entstand! Die sublime Bosheit einer Seele, welche — — —
Meinem Geschmacke von heute sagt etwas anderes zu: der Mensch der großen Liebe und der großen Verachtung, den seine überflüssige Kraft aus allem “Abseits” und “Jenseits” mittenhinein in die Welt treibt, den die Einsamkeit zwingt, sich Wesen zu schaffen, die ihm gleich sind—ein Mensch mit dem Willen zu einer furchtbaren Verantwortlichkeit, an sein Problem geschmiedet
Was vielleicht am schwersten an diesem schwerverständlichen Buche zu begreifen ist, dem nicht nur Eine Vorrede noth thut, das ist die Ironie des Gegensatzes zwischen seinem Thema, einer Auflösung und Aufdröselung der moralischen Werthe—und seinem Tone, dem der höchsten mildesten weisesten Gelassenheit, an dem ein Schwer-Leidender, ein dem Leben Abgewandter sich wie an seinem letzten Muthwillen ergetzte.