Herbst 1885 - Herbst 1886 2 [101-210]
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Vorrede zur “Fröhlichen Wissenschaft”
Eine Lustbarkeit vor einer großen Unternehmung, zu der man jetzt endlich die Kraft bei sich zurückkehren fühlt: wie Buddha sich 10 Tage den weltl[ichen] Vergnügungen ergab, als er seinen Hauptsatz gefunden.
Allgemeiner Spott über alles Moralisiren von heute. Vorbereitung zu Zarathustras naiv-ironischer Stellung zu allen heiligen Dingen (naive Form der Überlegenheit: das Spiel mit dem Heiligen)
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Über das Mißverständniß der “Heiterkeit.” Zeitweilige Erlösung von der langen Spannung, der Übermuth, die Saturnalien eines Geistes, der sich zu langen und furchtbaren Entschließungen weiht und vorbereitet. Der “Narr” in der Form der “Wissenschaft.”
Diesem Buche thut vielleicht nicht nur Eine Vorrede noth: von seiner “fröhlichen Wissenschaft” hat man gar nichts verstanden. Selbst über den Titel — — —
Von dieser “fröhlichen Wissenschaft” hat man gar Nichts verstanden; nicht einmal den Titel, über dessen provenzalischem Sinn wenigstens viele Gelehrten — — —
Der triumphirende Zustand, aus dem dies Buch hervorgieng, ist schwer zu begreifen—ich selbst war aber aus einem Zustand hervorgegangen.
das Bewußtsein des Widerwillens gegen Alles, was hinter mir lag, gepaart mit einem sublimen Willen zur Dankbarkeit selbst für das “Hinter-mir,” welcher nicht zu fern von dem Gefühl des Rechts auf eine lange Rache war
ein Stück graues eiskaltes Greisenthum, an der unrechtesten Stelle des Lebens eingeschaltet, die Tyrannei des Schmerzes überboten durch die Tyrannei des Stolzes, der die Folgerungen des Schmerzes ablehnt, die Vereinsamung als Nothwehr gegen eine krankhaft hellseherische Menschen-Verachtung und deshalb noch als Erlösung geliebt und genossen, andererseits ein Verlangen nach dem Bittersten Herbsten Wehethuendsten der Erkenntniß
Es gehört zu den Dingen, die ich nicht vergessen werde, daß man mir zu keinem Buche so aufrichtig gratulirt hat wie zu diesem, man gab mir selbst zu verstehen, wie gesund eine solche Denkweise sei
Nichts beleidigt so tief als die Höhe und Strenge der eigenen Ansprüche an sich merken zu lassen.
Nichts beleidigt so tief, nichts trennt so gründlich ab als etwas von der Höhe u. Strenge, mit der man sich selbst behandelt, merken zu lassen: oh wie entgegenkommend und liebreich zeigt sich alle Welt gegen uns, sobald wir es machen wie alle Welt und uns “gehen lassen” wie alle Welt!
Es gehört zu den Dingen, die ich nicht vergessen werde, daß man mir zu diesem Buche des “gai saber” mehr Glückwünsche gesagt hat als zu allen übrigen zusammen: man war plötzlich mit mir versöhnt, man zeigte sich wieder entgegenkommend und liebreich, alle Welt sah darin eine Genesung, Rückkehr, Heimkehr, Einkehr—nämlich als Rückkehr zu “aller Welt.”
Abgesehen von einigen Gelehrten, deren Eitelkeit an dem Worte “Wissenschaft” Anstoß nahm (—sie gaben mir zu verstehen, Das sei “fröhlich” vielleicht, sicherlich aber nicht “Wissenschaft,”—) nahm alle Welt dies Buch wie eine Rückkehr zu “aller Welt” und zeigte sich um seinetwillen entgegenkommend und liebreich gegen mich: und ich errieth nachträglich, wie Nichts am tiefsten beleidigt und am gründlichsten gegen uns — — —
NB Vielleicht daß man zum Schluß auch einigen übermüthigen Liedern Gehör schenkt, in denen ein Dichter sich über die Dichter lustig macht und deren schöne lyrische Gefühle.
NB!! Zarathustra, der auf eine heilige Weise allen heiligen Dingen Muth und Spott entgegenstellt und seinen Weg zum Verbotensten, Bösesten mit Unschuld geht - - -