Sommer 1875 11 [1-60]
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22. Wagner’s Kunst gehört nicht zur jetzigen Kunst: er ist weit voraus oder darüber. Man soll seine Existenz nicht unserm Zeitalter zum Verdienst anrechnen, zumal es alles gethan hat um seine Existenz zu verhindern. Zähle auf, was Wagner gefördert hat—worin er nicht gehemmt, sondern unterstützt wurde (darunter als Gegenstück Meyerbeer anzuführen, der seinen Tages- und Zeiterfolg auf das Künstlichste in Scene setzte—Wagner hat immer das Gegentheil gethan, besonders seine “Freunde” waren immer schlimm daran, er erlaubte ihnen nie auszuruhen, plötzlich war er ihnen mit etwas Neuem aus dem Gesichtskreis, sie standen wie die jünger im Faust mit Sehnsucht und sahen nach oben). Ebensowenig sollen die Leipziger ihn als ihr Stadtkind verherrlichen dürfen: vielmehr haben sie durch ihr Verhalten gegen Wagner ihr Verhalten gegen die Lutherische Reformation in Erinnerung gebracht. Meine Betrachtung Wagner’s bleibt als “unzeitgemäße” gerechtfertigt. Denn alle sonstige Kunst und Wissenschaft, die Musiker und Musikgelehrten dazu, haben ihm den Weg verlegen wollen.— Mir liegt daran, nicht von Wagners Gegnern zu sprechen; denn ich müßte von Jedermann reden. Wer hat sich nicht versündigt? Durch flaches Nicht-hören-wollen oder Halbhören usw. Aber ich schweige: wie ich es verstehe, zeige aber der Titel, daß ich diese Betrachtung unzeitgemäß nenne.