Sommer 1875 11 [1-60]
11 [25]
17. Wie Wagner es versteht abzuschließen, zeigt seine Beschäftigung mit der deutschen Mythologie. Alle Gelehrten haben nur für ihn gearbeitet; jetzt nachdem das Werk der Wiederauferstehung des deutschen Mythus vollendet ist, ist jene Gelehrten-Gattung überflüssig geworden. Und so sollen sich Gelehrte überflüssig machen lassen! Nur in Hinblick auf solche endgültige Beseitigung ihrer Gattung durch einen Genius arbeiten sie ja! Als solche, die auf Erlösung hoffen, verzaubert zur unterirdischen sonnenlosen mühsamen Arbeit!— Wer hätte jetzt noch viel über Aeschylus und Soph zu sagen! Das Größere ist da, der Inbegriff auch ihrer Kunst, zugleich die höchste Rechtfertigung der Verehrung, welche sie genossen haben, fast auf Treu und Glauben hin. Ebenso ist die Religionsgeschichte an einen Wendepunkt gestellt, ebenso die Kunstgeschichte; eine ungeheure Summe von Wissen kann man jetzt wegwerfen, nachdem das erlösende Wort gesprochen ist; ein guter Theil von Gelehrsamkeit und Geschichte (Aesthetik namentlich) ist veraltet, zum Trödel geworden. Wie es andere verstehn, nicht abzuschließen, zeigt z. B. die Beschäftigung mit dem deutschen Mährchen; das war durch Gelehrte wieder entdeckt und den alten Weibern und Kindern abgelauscht worden. Statt nun den hohen Grad von Erniedrigung zu empfinden, der in der Verwandlung des Männer-mythus zum Alt-weiber-Mährchen liegt, und diesen Bann zu brechen, beschäftigte man sich mit alberner Kindlichkeit mit künstlerischer Verarbeitung des Mährchens, wie z. B. Schwind; und unsere blasirten Großstädter thaten kindlich! Die ganze deutsche Romantik war eine Gelehrtenbewegung, man wollte gern in’s Naive zurück und wußte, daß man’s so gar nicht war. Wer jetzt nicht heldenhaft ist, kann nicht in’s Einfache und Naive hindurch; aber jene meinten, durch Verweichlichung Vergreisung Altjungferhaftes und eine Art von absichtlicher “zweiter Kindheit” dahin zu kommen. Man muß dem Volksliede nicht nachsingen, sondern vorsingen können, um ein volksthümlicher Sänger zu sein. Und das versteht Wagner, er ist volksthümlich in jeder Faser.