Sommer 1875 11 [1-60]
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Wer so glücklich ist, sich darüber Rechenschaft geben zu können, was Wagner ist, der hat auch bis zu irgend einem Grade an dem unvergleichlichen Glück theilgenommen, das Wagner selbst in sich trägt: an dem Glück seiner Begabung. Diese ist ein aufwachsender Wald, ein Aufschießen der mannichfaltigsten Kräfte, die sich gegenseitig in Schranken halten, so daß sie freudig und geradezu aufwärts steigen und alle zusammen ein Ganzes bilden. Einheit im Verschiedenen fühlen, um das Verschiedene innig zu lieben—das ist sein Geheimniß: sein Auge ist von Natur auf Beziehungen gerichtet, nicht nur auf die Beziehung der Künste zu einander, sondern auch auf die Verbindung von Staat Gesellschaft und Kunst: also im stärksten Maaße darf ihm eine gesetzgeberische Befähigung zugesprochen werden. Er übersieht große Verhältnisse mit einem Blick und läßt sich nicht durch das Kleine befangen.
Wie die innere Schauwelt des Epos der Plastik vorausgehen muß, so auch die innere Nachahmungs-welt der Musik der Schauspielkunst.
Ein leidenschaftliches Verlangen nach Luxus und Glanz in Wagner: gerade von da aus war er befähigt, diesen Trieb im Innersten zu verstehn, zu verurtheilen. Sein äußeres Leben verhielt sich zu diesem Hange wie ein neckendes Possenspiel mit seinem Wechsel von Dürftigkeit und Luxus. Mit der Kunst des Luxus kritisirte er sich selbst und durchschaute sich.