Sommer 1875 11 [1-60]
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33. In Wagner sind gefährliche Neigungen: das Maaßlose (wie leicht hätte sein Genie sich zersplittern können! Aber es ist, wie bei den Griechen, als Künstler ist er, als Mensch nicht), die Neigung zu Pomp und Luxus (durch die fortwährende Entbehrung aufgestachelt, das Loos aller Künstler), das Eifersüchtige (er ist gezwungen zu einem Sich-messen an allen modernen Kräften, namentlich Künstlern, um das Wagnerhafte, aber Embryonische an ihnen zu entdecken und so sich doch als nothwendig zu fühlen; wenn er aber der Entwicklung auf sich hin Nothwendigkeit zumißt, so sieht er die andern Entwicklungen als Ab- und Nebenwege, auch Irrwege an, als entzogene Kräfte, als Vergeudung, und zürnt darüber; er zürnt auch dem Ruhme, der solchen Irrsternen gefolgt ist, weil es seinem Wege den Sonnenschein und seinem Werke die Fruchtbarkeit nimmt), das Vielgewandte, Vielverstehende (das Lesen in fremden Individuen, das Überschauen läßt kaum einen recht menschlichen Verkehr zu, wie man auch mit einem Weisen nicht umgehen kann. Einzig naht ihm die Liebe, aber diese blind, während er sieht. So gewöhnt er sich, sich lieben zu lassen und dabei zu herrschen: er hilft andern vor der Verzweiflung.) List und Kunst der Täuschung, zahllose vorgeschobene Motive, Auswege, gleichsam Nothbehelfe im Drama seines Lebens; die er blitzschnell findet und anwendet. Immer Recht haben, sein Unrecht bezieht sich höchstens auf die Form, den Grad, oder das gesammte Material war ihm nicht bekannt.— Alle diese Gefahren sind die Gefahren des Dramatikers, besonders gesteigert durch seinen Kampf, der um die Mittel nicht verlegen sein läßt. Er hat etwas von seinen Helden, sie sündigen nicht.— Nun liegt die Religion der Musik um sein ganzes Wesen: er fühlt es wie Verträge Macht Glanz Kampf und Sieg nicht beseligt, wie alles mächtige Wollen ungerecht macht, und so nennt er die Liebe das Höchste. Die Empedokleische. Er will ja helfen, nützen, erretten—und dies verurtheilt ihn zu einem solchen Leben der Leidenschaft und des Ungenügens.