Herbst 1887 9 [101-190]
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(71) Unsre psychologische Optik ist dadurch bestimmt
1) daß Mittheilung nöthig ist, und daß zur Mittheilung etwas fest, vereinfacht, präcisirbar sein muß (vor allem im identischen Fall ...) Damit es aber mittheilbar sein kann, muß es zurechtgemacht empfunden werden, als “wieder erkennbar.” Das Material der Sinne vom Verstande zurechtgemacht, reduzirt auf grobe Hauptstriche, ähnlich gemacht, subsumirt unter Verwandtes. Also: die undeutlichkeit und das Chaos des Sinneneindrucks wird gleichsam logisirt.
2) die Welt der “Phänomene” ist die zurechtgemachte Welt, die wir als real empfinden. Die “Realität” liegt in dem beständigen Wiederkommen gleicher, bekannter, verwandter Dinge, in ihrem logisirten Charakter, im Glauben, daß wir hier rechnen. berechnen können.
3) der Gegensatz dieser Phänomenal-Welt ist nicht “die wahre Welt,” sondern die formlos-unformulirbare Welt des Sensationen-Chaos,—also eine andere Art Phänomenal-Welt, eine für uns “unerkennbare.”
4) Fragen, wie die “Dinge an sich” sein mögen, ganz abgesehn von unserer Sinnen-Receptivität und Verstandes-Aktivität, muß man mit der Frage zurückweisen: woher könnten wir wissen, daß es Dinge giebt? Die “Dingheit” ist erst von uns geschaffen. Die Frage ist, ob es nicht noch viele Art[en] geben könnte, eine solche scheinbare Welt zu schaffen—und ob nicht dieses Schaffen, Logisiren, Zurechtmachen, Fälschen die bestgarantirte Realität selbst ist: kurz, ob nicht das, was “Dinge setzt,” allein real ist; und ob nicht die, “Wirkung der äußeren Welt auf uns” auch nur die Folge solcher wollenden Subjekte ist ...
“Ursache und Wirkung” falsche Auslegung eines Kriegs und eines relativen Siegs
die anderen “Wesen” agiren auf uns; unsere zurechtgemachte Scheinwelt ist eine Zurechtmachung und Überwältigung von deren Aktionen; eine Art Defensiv-Maßregel.
Das Subjekt allein ist beweisbar: Hypothese, daß es nur Subjekte giebt—daß “Objekt” nur eine Art Wirkung von Subjekt auf Subjekt ist ... ein modus des Subjekts