Herbst 1887 9 [101-190]
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[Vgl. Ferdinand Brunetière, Études critiques sur l'histoire de la littérature française. Troisième série. Paris: 1887:325.]
(115) Die Zuchtlosigkeit des modernen Geistes unter allerhand moral[ischem] Aufputz:
Die Prunkworte sind:
die Toleranz (für “Unfähigkeit zu Ja und Nein”)
la largeur de sympathie = ein Drittel Indifferenz, ein Drittel Neugierde, ein Drittel krankhafte Erregbarkeit
die “Objektivität” = Mangel an Person, Mangel an Willen, Unfähigkeit zur Liebe
die “Freiheit” gegen die Regel (Romantik)
die “Wahrheit” gegen die Fälscherei und Lügnerei (naturalisme)
die “Wissenschaftlichkeit” (das “document humain”), auf deutsch der Colportage-Roman und die Addition statt der Composition
die “Leidenschaft” an Stelle der Unordnung und der Unmäßigkeit
die “Tiefe” an Stelle der Verworrenheit, des Symbolen-Wirrwarrs
Zur “Modernität”
a) die Zuchtlosigkeit des Geistes
b) die Schauspielerei
c) die krankhafte Irritabilität (das milieu als “Fatum”)
d) die Buntheit
e) die Überarbeitung
Die günstigsten Hemmungen und Remeduren der “Modernität”
1. die allgemeine Wehrpflicht mit wirklichen Kriegen, bei denen der Spaaß aufhört
2. die nationale Bornirtheit (vereinfachend, concentrirend, allerdings einstweilen auch durch Überarbeitung ausdrückend und erschöpfend)
3. die verbesserte Ernährung (Fleisch)
4. die zunehmende Reinlichkeit und Gesundheit der Wohnstätten
5. die Vorherrschaft der Physiologie über Theologen, Moralisten, Oekonomen u[nd] Politiker
6. die militärische Strenge in der Forderung und Handhabung seiner “Schuldigkeit” (man lobt nicht mehr ...)