Herbst 1887 9 [101-190]
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(93) Versuch meinerseits, die absolute Vernünftigkeit des gesellschaftlichen Urtheilens und Werthschätzens zu begreifen: natürlich frei von dem Willen, dabei moralische Resultate herauszurechnen.
: der Grad von psychologischer Falschheit und Undurchsichtigkeit, um die zur Erhaltung und Machtsteigerung wesentlichen Affekte zu heiligen (um sich für sie das gute Gewissen zu schaffen)
: der Grad von Dummheit, damit eine gemeinsame Regulirung und Werthung möglich bleibt (dazu Erziehung, Überwachung der Bildungselemente, Dressur)
: der Grad von Inquisition, Mißtrauen und Unduldsamkeit, um die Ausnahmen als Verbrecher zu behandeln und zu unterdrücken,—um ihnen selbst das schlechte Gewissen zu geben, so daß diese innerlich an ihrer Ausnahmhaftigkeit krank sind.
Moral wesentlich als Wehr, als Vertheidigungsmittel: insofern ein Zeichen des unausgewachsenen Menschen p. 123 [Vgl. Emanuel Herrmann, Cultur und Natur: Studien im Gebiete der Wirthschaft. 2. Aufl. Berlin: Allgemeiner Verein für Deutsche Literatur, 1887:123.]
(verpanzert; stoisch;
der ausgewachsene Mensch hat vor allem Waffen, er ist angreifend
Kriegswerkzeuge zu Friedenswerkzeugen umgewandelt (aus Schuppen und Platten, Federn und Haare)
Summa: die Moral ist gerade so “unmoralisch,” wie jedwedes andre Ding auf Erden; die Moralität selbst ist eine Form der Unmoralität.
Große Befreiung, welche diese Einsicht bringt: der Gegensatz ist aus den Dingen entfernt, die Einartigkeit in allem Geschehen ist gerettet — —