Herbst 1887 9 [101-190]
9 [170]
(120) | Aesthetica. |
die moderne Falschmünzerei in den Künsten: begriffen als nothwendig, nämlich dem eigentlichsten Bedürfniß der modernen Seele gemäß
man stopft die Lücken der Begabung, noch mehr die Lücken der Erziehung, der Tradition, der Schulung aus
erstens: man sucht sich ein weniger artistisches Publikum, welches unbedingt ist in seiner Liebe (—und alsbald vor der Person niederkniet ...) Dazu dient die Superstition unseres Jahrhunderts, der Aberglaube vom “Genie” ...
zweitens: man haranguirt die dunklen Instinkte der Unbefriedigten, Ehrgeizigen, Sich-selbst-Verhüllten eines demokratischen Zeitalters: Wichtigkeit der Attitüde
drittens: man nimmt die Prozeduren der einen Kunst in die andere, vermischt die Absichten der Kunst mit denen der Erkenntniß oder der Kirche oder des Rassen-Interesses (“Nationalismus”) oder der Philosophie—man schlägt an alle Glocken auf einmal und erregt den dunklen Verdacht, daß man ein “Gott” sei
viertens: man schmeichelt dem Weibe, den Leidenden, den Empörten; man bringt auch in der Kunst narcotica und opiatica zum Übergewicht. Man kitzelt die “Gebildeten,” die Leser von Dichtern und alten Geschichten