Herbst 1887 9 [101-190]
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(105) | Die Starken der Zukunft. |
Was theils die Noth, theils der Zufall hier und da erreicht hat, die Bedingungen zur Hervorbringung einer stärkeren Art: das können wir jetzt begreifen und wissentlich wollen: wir können die Bedingungen schaffen, unter denen eine solche Erhöhung möglich ist.
Bis jetzt hatte die “Erziehung” den Nutzen der Gesellschaft im Auge: nicht den möglichsten Nutzen der Zukunft, sondern den Nutzen der gerade bestehenden Gesellschaft. “Werkzeuge” für sie wollte man. Gesetzt, der Reichthum an Kraft wäre größer, so ließe sich ein Abzug von Kräften denken, dessen Ziel nicht dem Nutzen der Gesellschaft gälte, sondern einem zukünftigen Nutzen, —
Eine solche Aufgabe wäre zu stellen, je mehr man begriffe, in wiefern die gegenwärtige Form der Gesellschaft in einer starken Verwandlung wäre, um irgendwann einmal nicht mehr um ihrer selber willen existiren zu können: sondern nur noch als Mittel in den Händen einer stärkeren Rasse.
Die zunehmende Verkleinerung des Menschen ist gerade die treibende Kraft, um an die Züchtung einer stärkeren Rasse zu denken: welche gerade ihren Überschuß darin hätte, worin die verkleinerte species schwach und schwächer würde (Wille, Verantwortlichkeit, Selbstgewißheit, Ziele-sich-setzen-können)
Die Mittel wären die, welche die Geschichte lehrt: die Isolation durch umgekehrte Erhaltungs-Interessen als die durchschnittlichen heute sind; die Einübung in umgekehrte Werthschätzungen; die Distanz als Pathos; das freie Gewissen im heute Unterschätztesten und Verbotensten.
Die Ausgleichung des europäischen Menschen ist der große Prozeß, der nicht zu hemmen ist: man sollte ihn noch beschleunigen.
Die Nothwendigkeit für eine Kluftaufreißung, Distanz, Rangordnung ist damit gegeben: nicht, die Nothwendigkeit, jenen Prozeß zu verlangsamen
Diese ausgeglichene Species bedarf einer Rechtfertigung, sobald sie erreicht ist: sie liegt im Dienste einer höheren, souveränen Art, welche auf ihr steht und erst auf ihr sich zu ihrer Aufgabe erheben kann.
Nicht nur eine Herren-Rasse, deren Aufgabe sich damit erschöpfte, zu regieren; sondern eine Rasse mit eigener Lebenssphäre, mit einem Überschuß von Kraft für Schönheit, Tapferkeit, Cultur, Manier bis ins Geistigste; eine bejahende Rasse, welche sich jeden großen Luxus gönnen darf ..., stark genug, um die Tyrannei des Tugend-Imperativs nicht nöthig zu haben, reich genug, um die Sparsamkeit und Pedanterie nicht nöthig zu haben, jenseits von gut und böse; ein Treibhaus für sonderbare und ausgesuchte Pflanzen.