Herbst 1887 10 [1-100]
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(150) Die Nothwendigkeit zu erweisen, daß zu einem immer ökonomischeren Verbrauch von Mensch und Menschheit, zu einer immer fester in einander verschlungenen “Maschinerie” der Interessen und Leistungen eine Gegenbewegung gehört. Ich bezeichne dieselbe als Ausscheidung eines Luxus-Überschusses der Menschheit: in ihr soll eine stärkere Art, ein höherer Typus ans Licht treten, der andre Entstehungs- und andre Erhaltungsbedingungen hat als der Durchschnitts-Mensch. Mein Begriff, mein Gleichniß für diesen Typus ist, wie man weiß, das Wort “Übermensch.”
Auf jenem ersten Wege, der vollkommen jetzt überschaubar ist, entsteht die Anpassung, die Abflachung, das höhere Chinesenthum, die Instinkt-Bescheidenheit, die Zufriedenheit in der Verkleinerung des Menschen—eine Art Stillstand im Niveau des Menschen. Haben wir erst jene unvermeidlich bevorstehende Wirthschafts-Gesammt-Verwaltung der Erde, dann kann die Menschheit als Maschinerie in deren Diensten ihren besten Sinn finden: als ein ungeheures Räderwerk von immer kleineren, immer feiner “angepaßten” Rädern; als ein immer wachsendes Überflüssigwerden aller dominirenden und commandirenden Elemente; als ein Ganzes von ungeheurer Kraft, dessen einzelne Faktoren Minimal-Kräfte, Minimal-Werthe darstellen. Im Gegensatz zu dieser Verkleinerung und Anpassung des M[enschen] an eine spezialisirtere Nützlichkeit bedarf es der umgekehrten Bewegung—der Erzeugung des synthetischen, des summirenden, des rechtfertigenden Menschen, für den jene Machinalisirung der Menschheit eine Daseins-Vorausbedingung ist, als ein Untergestell, auf dem er seine höhere Form zu sein sich erfinden kann ...
Er braucht ebensosehr die Gegnerschaft der Menge, der “Nivellirten,” das Distanz-Gefühl im Vergleich zu ihnen; er steht auf ihnen, er lebt von ihnen. Diese höhere Form des Aristokratism ist die der Zukunft.— Moralisch geredet, stellt jene Gesammt-Maschinerie, die Solidarität aller Räder, ein maximum in der Ausbeutung des Menschen dar: aber sie setzt solche voraus, derentwegen diese Ausbeutung Sinn hat. Im anderen Falle wäre sie thatsächlich bloß die Gesammt-Verringerung, Werth-Verringerung des Typus Mensch,—ein Rückgangs-Phänomen im größten Stile.
— Man sieht, was ich bekämpfe, ist der ökonomische Optimismus: wie als ob mit den wachsenden Unkosten Aller auch der Nutzen Aller nothwendig wachsen müßte. Das Gegentheil scheint mir der Fall: die Unkosten Aller summiren sich zu einem Gesammt-Verlust: der Mensch wird geringer:—so daß man nicht mehr weiß, wozu überhaupt dieser ungeheure Prozeß gedient hat. Ein wozu? ein neues “Wozu!”—das ist es, was die Menschheit nöthig hat ...