Herbst 1887 10 [1-100]
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(140) Statt des “Naturmenschen” Rousseau’s hat das 19. Jahrhundert ein wahreres Bild vom “Menschen” entdeckt,—es hat dazu den Muth gehabt ... Im Ganzen ist damit dem christlichen Begriff “Mensch” eine Wiederherstellung zu Theil geworden. Wozu man nicht den Muth gehabt hat, das ist, gerade diesen “Mensch an sich” gutzuheißen und in ihm die Zukunft des Menschen garantirt zu sehn. Insgleichen hat man nicht gewagt, das Wachsthum der Furchtbarkeit des Menschen als Begleiterscheinung jedes Wachsthums der Cultur zu begreifen; man ist darin immer noch dem christlichen Ideale unterwürfig und nimmt dessen Partei gegen das Heidenthum, insgleichen gegen den Renaissance-Begriff der virtù. So aber hat man den Schlüssel nicht zur Cultur: und in praxi bleibt es bei der Falschmünzerei der Geschichte zu Gunsten des “guten Menschen” (wie als ob er allein der Fortschritt des Menschen sei) und beim socialistischen Ideal (d.h. dem Residuum des Christenthums und Rousseaus in der entchristlichten Welt)
Der Kampf gegen das 18. Jahrhundert: dessen höchste Überwindung durch Goethe und Napoleon. Auch Schopenhauer kämpft gegen dasselbe; unfreiwillig aber tritt er zurück ins 17. Jahrhundert,—er ist ein moderner Pascal, mit Pascalischen Werthurtheilen ohne Christenthum ... Schopenhauer war nicht stark genug zu einem neuen Ja.
Napoleon: die nothwendige Zusammengehörigkeit des höheren und des furchtbaren Menschen begriffen. Der “Mann” wiederhergestellt; dem Weibe der schuldige Tribut von Verachtung und Furcht zurückgewonnen. Die “Totalität” als Gesundheit und höchste Aktivität; die gerade Linie, der große Stil im Handeln wiederentdeckt; der mächtigste Instinkt, der des Lebens selbst, die Herrschsucht, bejaht.