Herbst 1887 10 [1-100]
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(187) | Die Rangordnung der Menschen-Werthe. |
a) man soll einen Menschen nicht nach einzelnen Werken abschätzen. Epidermal-Handlungen. Nichts ist seltener als eine Personal-Handlung. Ein Stand, ein Rang, eine Volks-Rasse, eine Umgebung, ein Zufall—Alles drückt sich eher noch in einem Werke oder Thun aus, als eine “Person.”
b) man soll überhaupt nicht voraussetzen, daß viele Menschen “Personen” sind. Und dann sind Manche auch mehrere Personen, die Meisten sind keine. Überall, wo die durchschnittlichen Eigenschaften überwiegen, auf die es ankommt, daß ein Typus fortbesteht, wäre Person-Sein eine Vergeudung, ein Luxus, hätte es gar keinen Sinn, nach einer “Person” zu verlangen. Es sind Träger, Transmissions-Werkzeuge.
c) die “Person” ein relativ isolirtes Faktum; in Hinsicht auf die viel größere Wichtigkeit des Fortflusses und der Durchschnittlichkeit somit beinahe etwas Widernatürliches. Zur Entstehung der Person gehört eine zeitige Isolirung, ein Zwang zu einer Wehr- und Waffen-Existenz, etwas wie Einmauerung, eine größere Kraft des Abschlusses; und, vor Allem, eine viel geringere Impressionabilität, als sie der mittlere Mensch, dessen Menschlichkeit contagiös ist, hat
Erste Frage in Betreff der Rangordnung: wie solitär oder wie heerdenhaft Jemand ist
(im letzteren Falle liegt sein Werth in den Eigenschaften, die den Bestand seiner Heerde, seines Typus sichern, im anderen Falle in dem, was ihn abhebt, isolirt, vertheidigt und solitär ermöglicht.
Folgerung: man soll den solitären Typus nicht abschätzen nach dem heerdenhaften, und den heerdenhaften nicht nach dem solitären
Aus der Höhe betrachtet: sind beide nothwendig; insgleichen ist ihr Antagonism nothwendig,—und nichts ist mehr zu verbannen als jene “Wünschbarkeit,” es möchte sich etwas Drittes aus Beiden entwickeln (“Typus” als Hermaphroditismus). Das ist so wenig “wünschbar,” als die Annäherung und Aussöhnung der Geschlechter. Das Typische fortentwickeln, die Kluft immer tiefer aufreißen ...
Begriff der Entartung in beiden Fällen: wenn die Heerde den Eigenschaften der solitären Wesen sich nähert, und diese den Eigenschaften der Heerde,—kurz, wenn sie sich annähern. Dieser Begriff der Entartung ist abseits von der moral[ischen] Beurtheilung.