Herbst 1887 10 [1-100]
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(142) Nachzudenken: In wiefern immer noch der verhängnißvolle Glaube an die göttliche Providenz—dieser für Hand und Vernunft lähmendste Glaube, den es gegeben hat—fortbesteht; in wiefern unter den Formeln “Natur,” “Fortschritt,” “Vervollkommnung,” “Darwinismus,” unter dem Aberglauben einer gewissen Zusammengehörigkeit von Glück und Tugend, von Unglück und Schuld immer noch die christliche Voraussetzung und Interpretation ihr Nachleben hat. Jenes absurde Vertrauen zum Gang der Dinge, zum “Leben,” zum “Instinkt des Lebens,” jene Biedermanns Resignation, die des Glaubens ist, Jedermann habe nur seine Pflicht zu thun, damit Alles gut gehe—dergleichen hat nur Sinn unter der Annahme einer Leitung der Dinge sub specie boni. Selbst noch der Fatalism, unsere jetzige Form der philosophischen Sensibilität, ist eine Folge jenes längsten Glaubens an göttliche Fügung, eine unbewußte Folge: nämlich als ob es eben nicht auf uns ankomme, wie Alles geht (—als ob wir es laufen lassen dürften, wie es läuft: jeder Einzelne selbst nur ein modus der absoluten Realität—)
Man verdankt dem Christenthum:
die Einmischung des Schuld- und Strafbegriffs in alle Begriffe
die Feigheit vor der Moral
das dumme Vertrauen in den Gang der Dinge (zum “Besseren”)
die psychologische Falschheit gegen sich.