Frühjahr 1888 14 [1-100]
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Nihilismus
Nichts wäre nützlicher und mehr zu fördern als ein consequenter Nihilismus der That
: so wie ich alle Phänomene des Christenthums, des Pessimismus verstehe, so drücken sie aus “wir sind reif, nicht zu sein; für uns ist es vernünftig, nicht zu sein”
diese Sprache der “Vernunft” wäre in diesem Falle auch die Sprache der selektiven Natur
Was über alle Begriffe dagegen zu verurtheilen ist, das ist die zweideutige und feige Halbheit einer Religion, wie die des Christenthums: deutlicher, der Kirche: welche, statt zum Tode und zur Selbstvernichtung zu ermuthigen, alles Mißrathene und Kranke schützt und sich selbst fortpflanzen macht —
Problem: mit was für Mitteln würde eine strenge Form des großen contagiösen Nihilism erzielt werden: eine solche, welche, mit wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit, den freiwilligen Tod lehrt und übt ... (und nicht das schwächliche Fortvegetiren mit Hinsicht auf eine falsche Postexistenz—)
Man kann das Christenthum nicht genug verurtheilen, weil es den Werth einer solchen reinigenden großen Nihilismus-Bewegung, wie sie vielleicht im Gange war, durch den Gedanken der unsterblichen Privat-Person entwerthet hat: insgleichen durch die Hoffnung auf Auferstehung: kurz, immer durch ein Abhalten von der That des Nihilismus, dem Selbstmord ... Es substituirte den langsamen Selbstmord; allmählich ein kleines armes aber dauerhaftes Leben; allmählich ein ganz gewöhnliches bürgerliches mittelmäßiges Leben usw.