Frühjahr 1888 14 [1-100]
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Wille zur Macht principiell
Kritik des Begriffs “Ursache”
Ich brauche den Ausgangspunkt “Wille zur Macht” als Ursprung der Bewegung. Folglich darf die Bewegung nicht von außen her bedingt sein—nicht verursacht ...
Ich brauche Bewegungsansätze und -Centren, von wo aus der Wille um sich greift ...
Wir haben absolut keine Erfahrung über eine Ursache
: psychologisch nachgerechnet, kommt uns der ganze Begriff aus der subjektiven Überzeugung, daß wir Ursache sind, nämlich, daß der Arm sich bewegt ... Aber das ist ein Irrthum
: wir unterscheiden uns, die Thäter, vom Thun und von diesem Schema machen wir überall Gebrauch,—wir suchen nach einem Thäter zu jedem Geschehen ..
: was haben wir gemacht? wir haben ein Gefühl von Kraft, Anspannung, Widerstand, ein Muskelgefühl, das schon der Beginn der Handlung ist, als Ursache mißverstanden
: oder den Willen, das und das zu thun, weil auf ihn die Aktion folgt, als Ursache verstanden—Ursache, d.h. — — —
“Ursache” kommt gar nicht vor: von einigen Fällen, wo sie uns gegeben schien und von wo aus wir sie projicirt haben zum Verständniß des Geschehens, ist die Selbsttäuschung nachgewiesen.
Unser “Verständniß eines Geschehens” bestand darin, daß wir ein Subjekt erfanden welches verantwortlich wurde dafür, daß etwas geschah und wie es geschah.
Wir haben unser Willens-Gefühl, unser “Freiheits-Gefühl,” unser Verantwortlichkeits-Gefühl und unsere Absicht von einem Thun in den Begriff “Ursache” zusammengefaßt:
: causa efficiens und finalis ist in der Grundconception Eins.
Wir meinten, eine Wirkung sei erklärt, wenn ein Zustand aufgezeigt würde, in dem sie bereits inhärirt
Thatsächlich erfinden wir alle Ursachen nach dem Schema der Wirkung: letztere ist uns bekannt ... Umgekehrt sind wir außer Stande, von irgend einem Ding voraus zu sagen, was es “wirkt.”
Das Ding, das Subjekt, der Wille, die Absicht—alles inhärirt der Conception “Ursache.”
Wir suchen nach Dingen, um zu erklären, weshalb sich etwas verändert hat. Selbst noch das Atom ist ein solches hinzugedachtes “Ding” und “Ursubjekt” ..
Endlich begreifen wir, daß Dinge, folglich auch Atome nichts wirken: weil sie gar nicht da sind ... daß der Begriff Causalität vollkommen unbrauchbar ist — Aus einer nothwendigen Reihenfolge von Zuständen folgt nicht deren Causal-Verhältniß (—das hieße deren wirkende Vermögen von 1 auf 2, auf 3, auf 4, auf 5 springen zu machen)
Die Causalitäts-Interpretation eine Täuschung ...
die Bew[egung] ist ein Wort, die Bew[egung] ist keine Ursache —
ein “Ding” ist eine Summe seiner Wirkungen, synthetisch gebunden durch einen Begriff, Bild ...
Es giebt weder Ursachen, noch Wirkungen.
Sprachlich wissen wir davon nicht loszukommen. Aber daran liegt nichts. Wenn ich den Muskel von seinen “Wirkungen” getrennt denke, so habe ich ihn negirt ...
In summa: ein Geschehen ist weder bewirkt, noch bewirkend
Causa ist ein Vermögen zu wirken, hinzu erfunden zum Geschehen ..
es giebt nicht was Kant meint, keinen Causalitäts-Sinn
man wundert sich, man ist beunruhigt, man will etwas Bekanntes, woran man sich halten kann ...
sobald im Neuen uns etwas Altes aufgezeigt wird, sind wir beruhigt.
Der angebliche Causalitäts-Instinkt ist nur die Furcht vor dem Ungewohnten und der Versuch, in ihm etwas Bekanntes zu entdecken
ein Suchen nicht nach Ursachen sondern nach Bekanntem ...
Der Mensch ist sofort beruhigt, wenn er zu einem Neuen — — — er bemüht sich nicht, zu verstehen, in wiefern das Streichhölzchen Feuer verursacht
Thatsächlich hat die Wissenschaft den Begriff Causalität seines Inhalts entleert und ihn übrig behalten zu einer Gleichnißformel, bei der es im Grunde gleichgültig geworden ist, auf welcher Seite Ursache oder Wirkung. Es wird behauptet, daß in zwei Complexen Zuständen (Kraftconstellationen) die Quanten Kraft gleich blieben.
Die Berechenbarkeit eines Geschehens liegt nicht darin, daß eine Regel befolgt wurde
oder einer Nothwendigkeit gehorcht wurde
oder ein Gesetz von Causalität von uns in jedes Geschehen projicirt wurde:
sie liegt in der Wiederkehr identischer Fälle