Frühjahr 1888 14 [1-100]
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Wille zur Macht als Erkenntniss
Kritik des Begriffs “wahre und scheinbare Welt”
von diesen ist die erste eine bloße Fiktion, aus lauter fingirten Dingen gebildet
die “Scheinbarkeit” gehört selbst zur Realität: sie ist eine Form ihres Seins d.h.
in einer Welt, wo es kein Sein giebt, muß durch den Schein erst eine gewisse berechenbare Welt identischer Fälle geschaffen werden: ein tempo, in dem Beobachtung und Vergleichung möglich ist usw.
“Scheinbarkeit” ist eine zurechtgemachte und vereinfachte Welt, an der unsere praktischen Instinkte gearbeitet haben: sie ist für uns vollkommen recht: nämlich wir leben, wir können in ihr leben: Beweis ihrer Wahrheit für uns ...
: die Welt, abgesehen von unserer Bedingung, in ihr zu leben, die Welt, die wir nicht auf unser Sein, unsere Logik, und psychologischen Vorurtheile reduzirt haben
existirt nicht als Welt “an sich”
sie ist essentiell Relations-Welt: sie hat, unter Umständen, von jedem Punkt aus ihr verschiedenes Gesicht: ihr Sein ist essentiell an jedem Punkte anders: sie drückt auf jeden Punkt, es widersteht ihr jeder Punkt—und diese Summirungen sind in jedem Falle gänzlich incongruent.
Das Maß von Macht bestimmt, welches Wesen das andre Maß von Macht hat: unter welcher Form, Gewalt, Nöthigung es wirkt oder widersteht
Unser Einzelfall ist interessant genug: wir haben eine Conception gemacht, um in einer Welt leben zu können, um gerade genug zu percipiren, daß wir noch es aushalten ...