November 1887 - März 1888 11 [301-417]
11 [363]
Wir haben das christliche Ideal wieder hergestellt: es bleibt übrig, seinen Werth zu bestimmen.
1. Welche Werthe werden durch dasselbe negirt: was enthält das Gegensatz-Ideal?
Stolz, Pathos der Distanz, die große Verantwortung, den übermuth, die prachtvolle Animalität, die kriegerischen und eroberungslustigen Instinkte, die Vergöttlichung der Leidenschaft, der Rache, der List, des Zorns, der Wollust, des Abenteuers, der Erkenntniß ...
: das vornehme Ideal wird negirt: Schönheit, Weisheit, Macht, Pracht und Gefährlichkeit des Typus Mensch: der Ziele setzende, der “zukünftige” Mensch (—hier ergiebt sich die Christlichkeit als Schlußfolgerung des Judenthums—)
2. Ist es realisirbar?
Ja, doch klimatisch bedingt ... Ähnlich wie das indische ... Es fehlt die Arbeit ... — es löst heraus aus Volk, Staat, Cultur-Gemeinschaft, Gerichtsbarkeit, es lehnt den Unterricht, das Wissen, die Erziehung zu guten Manieren, den Erwerb, den Handel ab ... es löst alles ab, was den Nutzen und Werth des Menschen ausmacht—es schließt ihn durch eine Gefühls-Idiosynkrasie ab—unpolitisch, antinational, weder aggressiv, noch defensiv,—nur möglich innerhalb des festgeordnetsten Staats- und Gesellschaftslebens, welches diese heiligen Parasiten auf allgemeine Unkosten wuchern läßt ...
3. es bleibt eine Consequenz des Willens zur Lust—und zu nichts weiter! “die Seligkeit” gilt als Etwas, das sich selbst beweist, das keine Rechtfertigung mehr braucht,—alles übrige (die Art leben und leben lassen) ist nur Mittel zum Zweck ...
— Aber das ist niedrig gedacht: die Furcht vor dem Schmerz, vor der Verunreinigung, vor der Verderbniß selbst als ausreichendes Motiv, alles fahren zu lassen ... Dies ist eine arme Denkweise ... Zeichen einer erschöpften Rasse ... Man soll sich nicht täuschen lassen (“werdet wie die Kinder”)—die verwandten Naturen: Franz von Assisi (neurotisch, epileptisch, Visionär, wie Jesus)