November 1887 - März 1888 11 [301-417]
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Bücher lesen, welche von Vielen geschrieben sein könnten: sie verrathen am deutlichsten die intellektuellen Gewohnheiten des Gelehrten-Typus einer Zeit, sie sind “unpersönlich.”
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[Vgl. Der Antichrist, 3 und 4.]
Der übermensch
: es ist nicht meine Frage, was den Menschen ablöst: sondern welche Art Mensch als höherwerthige gewählt, gewollt, gezüchtet werden soll ...
Die Menschheit stellt nicht eine Entwicklung zum Besseren; oder Stärkeren; oder Höheren dar; in dem Sinne, in dem es heute geglaubt wird: der Europäer des 19. Jahrhunderts ist, in seinem Werthe, bei weitem unter dem Europäer der Renaissance; Fortentwicklung ist schlechterdings nicht mit irgend welcher Nothwendigkeit Erhöhung, Steigerung, Verstärkung ...
in einem andrem Sinne giebt es ein fortwährendes Gelingen einzelner Fälle an den verschiedensten Stellen der Erde und aus den verschiedensten Culturen heraus, in denen in der That sich ein höherer Typus darstellt: etwas, das im Verhältniß zur Gesammt-Menschheit eine Art “übermensch” ist. Solche Glücksfälle des großen Gelingens waren immer möglich und werden viell[eicht] immer möglich sein. Und selbst ganze Stämme, Geschlechter, Völker können unter Umständen einen solchen Treffer darstellen ...
Von den ältesten uns errathbaren Zeiten der indischen, ägyptischen und chinesischen Cultur bis heute ist der höhere Typus Mensch viel gleichartiger als man denkt ...
Man vergißt, wie wenig die Menschheit in eine einzige Bewegung hineingehört, wie Jugend, Alter, Untergang durchaus keine Begriffe sind, die ihr als Ganzem zukommen
Man vergißt, um ein Beispiel zu geben, wie unsere europäische Cultur erst heute sich wieder jenem Zustand von philosophischer Mürbigkeit und Spätcultur annähert, aus dem die Entstehung eines Buddhism begreiflich wird.
Wenn es einmal möglich sein wird, isochronische Cultur-Linien durch die Geschichte zu ziehen, so wird der moderne Begriff Fortschritt artig auf den Kopf zu stehen kommen:—und der Index selbst, nach dem er gemessen, der Demokratismus
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[Vgl. Der Antichrist, 2 und 3.]
Vorrede.
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Was ist gut?— Alles, was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen steigert.
Was ist schlecht?— Alles, was aus der Schwäche stammt.
Was ist Glück?— Das Gefühl davon, daß die Macht wächst,—daß ein Widerstand überwunden wird.
Nicht Zufriedenheit, sondern mehr Macht; nicht Frieden überhaupt, sondern Krieg; nicht Tugend, sondern Tüchtigkeit (Tugend im Renaissance-Stile, virtù, moralinfreie Tugend.)
Die Schwachen und Mißrathenen sollen zu Grunde gehn: erster Satz der Gesellschaft. Und man soll ihnen dazu noch helfen.
Was ist schädlicher als irgend ein Laster?— Das Mitleiden der That mit allem Mißrathenen und Schwachen,—“das Christenthum” ...
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Nicht was die Menschheit ablösen soll in der Reihenfolge der Wesen, ist mein Problem, das ich hiermit stelle; sondern welchen Typus Mensch man züchten soll, wollen soll, als den höherwertigen, lebenswürdigeren, zukunftsgewisseren.
Dieser höherwerthigere Typus ist oft genug schon dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme,—niemals als gewollt. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet worden, er war bisher beinahe das Furchtbare: und aus der Furcht heraus hat man den umgekehrten Typus gewollt, gezüchtet, erreicht: das Hausthier, das Heerdenthier, das Thier der “gleichen Rechte,” das schwache Thier Mensch,—den “Christen” ...
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Der Wille zur Macht.
Versuch einer Umwerthung aller Werthe.