Frühjahr 1888 15 [1-120]
15 [120]
Was ist gut?— Alles, was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen steigert.
Was ist schlecht?— Alles, was aus der Schwäche stammt.
Was ist Glück?— Das Gefühl davon, daß wieder die Macht gewachsen,—daß wieder ein Widerstand überwunden ward.
Nicht Zufriedenheit, sondern mehr Macht; nicht Frieden überhaupt, sondern mehr Krieg; nicht Tugend, sondern Tüchtigkeit (Tugend im Renaissance-Stile, virtù, moralinfreie Tugend).
Das was schwach und mißrathen ist soll zu Grunde gehn: oberster Imperativ des Lebens. Und man soll keine Tugend aus dem Mitleiden machen.
Was ist gefährlicher als irgend ein Laster?— Das Mitleiden der That mit allem Mißrathenen und Schwachen,—das Christenthum ...
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Was für ein Typus die Menschheit einmal ablösen wird? Aber das ist bloße Darwinisten-Ideologie. Als ob je Gattung abgelöst wurde! Was mich angeht, das ist das Problem der Rangordnung innerhalb der Gattung Mensch, an deren Vorwärtskommen im Ganzen und Großen ich nicht glaube, das Problem der Rangordnung zwischen menschlichen Typen, die immer dagewesen [sind] und immer dasein werden.
Ich unterscheide einen Typus des aufsteigenden Lebens und einen anderen des Verfalls, der Zersetzung, der Schwäche.
Sollte man glauben, daß die Rangfrage zwischen beiden Typen überhaupt noch zu stellen ist? ...
Dieser stärkere Typus ist oft genug schon dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme,—niemals als gewollt. Vielmehr ist er gerade am besten bekämpft worden, verhindert worden,—er hatte immer die große Zahl, den Instinkt jeder Art Mittelmaß, mehr noch er hatte die List, die Feinheit, den Geist der Schwachen gegen sich und—folglich—die “Tugend” ... er war beinahe bisher das Furchtbare: und aus der Furcht heraus hat man den umgekehrten Typus gewollt, gezüchtet, erreicht, das Hausthier, das Heerdenthier, das kranke Thier, den Christen ...
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