Frühjahr 1888 15 [1-120]
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Die Prostitution schafft man nicht ab; es giebt Gründe selbst zu wünschen, daß man sie nicht abschafft. Folglich—sollte man sie ennobliren:—ich hoffe man versteht dies Folglich? Woran hängt es aber, daß etwas verächtlich wird? Daran, daß es lange verachtet wurde. Man höre damit auf, die Huren zu verachten: dann werden sie keinen Grund mehr haben, sich zu verachten. Zuletzt steht es überall in diesem Punkte bereits besser als bei uns: die Prostitution ist in der ganzen Welt etwas Unschuldiges und Naives. Es giebt Culturen Asiens, wo sie sogar hohe Ehren genießt. Die Infamie liegt durchaus nicht in der Sache, sie ist erst durch die Widernatur des Christenthums hineingelegt jener Religion, welche selbst noch den Geschlechtstrieb beschmutzt hat! ... La fille canaille ist eine christliche Spezialität: Europa aber ist der Boden, der ihrem Wachsen günstig ist, und die Großstädte Europas die Stätten, wo deren Superlativ gedeiht ...— Problem: welche Bedingungen geben der Hauptstadt des neu-deutschen Reichs eine Überlegenheit in der Kunst, die Dirne zu encanailliren? ... Eine erlaubte Frage: aber man schämt sich, deutsch darauf zu antworten ...