Frühjahr 1888 15 [1-120]
15 [45]
| Zur Kritik des Manu-Gesetzbuchs. — | XV |
Das ganze Buch ruht auf der heiligen Lüge:
— ist es das Wohl der Menschheit, welches dieses ganze System inspirirt hat? diese Art Mensch, welche an die Interessirtheit jeder Handlung glaubt, war sie interessirt oder nicht, dieses System durchzusetzen?
— die Menschheit zu verbessern—woher ist diese Absicht inspirirt? Woher ist der Begriff des Bessern genommen?
— wir finden eine Art Mensch, die priesterliche, die sich als Norm, als Spitze, als höchsten Ausdruck des Typus Mensch fühlt: von sich aus nimmt sie den Begriff des “Bessern”
— sie glaubt an ihre Überlegenheit, sie will sie auch in der That: die Ursache der heiligen Lüge ist der Wille zur Macht ...
* * *
Aufrichtung der Herrschaft: zu diesem Zwecke die Herrschaft von Begriffen, welche in der Priesterschaft ein non plus ultra von Macht ansetzen
die Macht durch die Lüge, in Einsicht darüber, daß man sie nicht physisch, militärisch, besitzt ...
die Lüge als Supplement der Macht,—ein neuer Begriff der “Wahrheit”
* *
Man irrt sich, wenn man hier unbewußte und naive Entwicklung voraussetzt, eine Art Selbstbetrug ... Die Fanatiker sind nicht die Erfinder solcher durchdachten Systeme der Unterdrückung ...
Hier hat die kaltblütigste Besonnenheit gearbeitet, dieselbe Art Besonnenheit, wie sie ein Plato hatte, als er sich seinen “Staat” ausdachte
“Man muß die Mittel wollen, wenn man das Ziel will”—über diese Politiker-Einsicht waren alle Gesetzgeber bei sich klar
* *
Wir haben das klassische Muster als spezifisch arisch: wir dürfen also die bestausgestattete und besonnenste Art Mensch verantwortlich machen für die grundsätzlichste Lüge, die je gemacht worden ist ... Man hat das nachgemacht, überall beinahe: der arische Einfluß hat alle Welt verdorben ...