Frühjahr 1888 15 [1-120]
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Fortschritt. | VI |
Daß wir uns nicht täuschen! Die Zeit läuft vorwärts,—wir möchten glauben, daß auch Alles, was in ihr ist, vorwärts läuft ... daß die Entwicklung eine Vorwärts-Entwicklung ist ... Das ist der Augenschein, von dem die Besonnensten verführt werden: aber das neunzehnte Jahrhundert ist kein Fortschritt gegen das sechszehnte: und der deutsche Geist von 1888 ist ein Rückschritt gegen den deutschen Geist von 1788 ... Die “Menschheit” avancirt nicht, sie existirt nicht einmal ... Der Gesamtaspekt ist der einer ungeheuren Experimentir-Werkstätte, wo Einiges gelingt, zerstreut durch alle Zeiten, und Unsägliches mißräth, wo alle Ordnung, Logik, Verbindung und Verbindlichkeit fehlt ... Wie dürften wir verkennen, daß die Heraufkunft des Christenthums eine décadence-Bewegung ist? ... Daß die deutsche Reformation eine Recrudescenz der christlichen Barbarei ist? ... Daß die Revolution den Instinkt zur großen Organisation, die Möglichkeit einer Gesellschaft zerstört hat? ... Der Mensch ist kein Fortschritt gegen das Thier: der Cultur-Zärtling ist eine Mißgeburt im Vergleich zum Araber und Corsen; der Chinese ist ein wohlgerathener Typus, nämlich dauerfähiger als der Europäer ...