Frühjahr 1888 15 [1-120]
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Kapitel: der Wille zur Wahrheit
die psychologischen Verwechslungen:
das Verlangen nach Glauben—verwechselt mit dem “Willen zur Wahrheit” (z.B. bei Carlyle)
aber ebenso ist das Verlangen nach Unglauben verwechselt worden mit dem “Willen zur Wahrheit” (—ein Bedürfniß, loszukommen von einem Glauben, aus hundert Gründen, Recht zu bekommen gegen irgend welche “Gläubigen”)
was inspirirt die Skeptiker? der Haß gegen die Dogmatiker—oder ein Ruhe-Bedürfniß, eine Müdigkeit wie bei Pyrrho
— die Vortheile, welche man von der Wahrheit erwartete, waren die Vortheile des Glaubens an sie:—an sich nämlich könnte ja die Wahrheit durchaus peinlich, schädlich, verhängnißvoll sein —
man hat die “Wahrheiten” auch nur wieder bekämpft, als man Vortheile sich vom Siege versprach ... z.B. Freiheit von den herrschenden Gewalten
die Methodik der Wahrheit ist nicht aus Motiven der Wahrheit gefunden worden, sondern aus Motiven der Macht, des Überlegen-sein-wollens
womit beweist sich die Wahrheit? mit dem Gefühl der erhöhten Macht (“ein Gewißheit-Glaube”)—mit der Nützlichkeit—mit der Unentbehrlichkeit—kurz mit Vortheilen nämlich Voraussetzungen, welcher Art die Wahrheit beschaffen sein sollte, um von uns anerkannt zu werden
aber das ist ein Vorurtheil: ein Zeichen, daß es sich gar nicht um Wahrheit handelt ...
was bedeutet z.B. der “Wille zur Wahrheit” bei den Goncourt’s? bei den Naturalisten? Kritik der “Objektivität”
warum erkennen? warum nicht lieber sich täuschen? ...
was man wollte, war immer der Glaube,—und nicht die Wahrheit ...
Der Glaube wird durch entgegengesetzte Mittel geschaffen als die Methodik der Forschung—: er schließt letztere selbst aus —