Frühjahr 1888 15 [1-120]
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Keuschheit.
VII
Im Falle der indischen Priester ist nicht nur die allen Priestern eignende Rancune gegen die Sinnlichkeit in Betracht zu ziehen (—darin nämlich stimmen sie überein: sie nehmen so die Sinnlichkeit als persönlichen Feind.) Das Wesentliche ist, daß nur eine extreme Rigorosität in dieser Hinsicht das Fundament aller Ordnung, die sie geschaffen haben, aufrecht erhält, den Begriff der Kaste, die Distanz der Kasten, die Reinheit der Kasten ...
Sie verlangen die Ehe, mit aller Strenge, sie sind, ähnlich wie die Chinesen, am entgegengesetzten Ende der europäischen Schlaffheit:—sie halten es für eine religiöse Pflicht, einen Sohn zu haben, sie machen das persönliche Heil im Jenseits davon abhängig, daß man einen Sohn hat. Man kann nicht genug Werth auf eine solche Gesinnung legen, eine um hundert Grad würdigere und ernsthaftere Gesinnung, als sie z.B. das Christenthum hat. In letzterem kommt die Ehe als coitus in Betracht und nicht weiter—als eine Concession an die menschliche Schwachheit und als pis aller der Hurerei.