Herbst 1887 10 [101-206]
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(223) | Zur Stärke des 19. Jahrhunderts. |
Wir sind mittelalterlicher als das 18. Jahrhundert; nicht bloß neugieriger oder reizbarer für Fremdes und Seltenes. Wir haben gegen die Revolution revoltirt ...
Wir haben uns von der Furcht vor der raison, dem Gespenst des 18. Jahrhunderts, emancipirt: wir wagen wieder lyrisch, absurd und kindisch zu sein ... mit einem Wort: “wir sind Musiker”
— ebensowenig fürchten wir uns vor dem Lächerlichen wie vor dem Absurden
— der Teufel findet die Toleranz Gottes zu seinen Gunsten: mehr noch, er hat ein Interesse, als der Verkannte, Verleumdete von Alters her,—wir sind die Ehrenretter des Teufels
— wir trennen das Große nicht mehr von dem Furchtbaren
— wir rechnen die guten Dinge zusammen in ihrer Complexität mit den schlimmsten: wir haben die absurde “Wünschbarkeit” von Ehedem überwunden (das das W[achsthum] des Guten wollte ohne das Wachsthum des Bösen—)
— die Feigheit vor dem Ideal der Renaissance hat nachgelassen—wir wagen es, zu ihren Sitten selbst zu aspiriren —
— die Intoleranz gegen die Priester und die Kirche hat zu gleicher Zeit ein Ende bekommen: “es ist unmoralisch, an Gott zu glauben,” aber gerade das gilt uns als die beste Form der Rechtfertigung dieses Glaubens.
Wir haben alledem ein Recht bei uns gegeben. Wir fürchten uns nicht vor der Kehrseite der “guten Dinge” (—wir suchen sie ... wir sind tapfer und neugierig genug dazu) z.B. am Griechenthum, an der Moral, an der Vernunft, am guten Geschmack (—wir rechnen die Einbuße nach, die man mit all solchen Kostbarkeiten macht: man macht sich beinahe arm mit einer solchen Kostbarkeit—) Ebenso wenig verhehlen wir uns die Kehrseite der schlimmen Dinge ...