Herbst 1887 10 [101-206]
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(239) das Nachdenken über das Allgemeinste ist immer rückständig: die letzten “Wünschbarkeiten” über den Menschen z.B. sind von den Philosophen eigentlich niemals als Problem genommen worden. Die “Verbesserung” des Menschen wird von ihnen allen naiv angesetzt, wie als ob wir durch irgend eine Intuition über das Fragezeichen hinausgehoben wären, warum gerade “verbessern”? In wiefern ist es wünschbar, daß der Mensch tugendhafter wird? oder klüger? oder glücklicher? Gesetzt, daß man nicht schon das “Warum?” des Menschen überhaupt kennt, so hat jede solche Absicht keinen Sinn; und wenn man das Eine will, wer weiß? vielleicht darf man dann das Andere nicht wollen? ... Ist die Vermehrung der Tugendhaftigkeit zugleich verträglich mit einer Vermehrung der Klugheit und Einsicht? Dubito: ich werde nur zu viel Gelegenheit haben, das Gegentheil zu beweisen. Ist die Tugendhaftigkeit als Ziel im rigorösen Sinne nicht thatsächlich bisher im Widerspruch mit dem Glücklichwerden gewesen? braucht sie andererseits nicht das Unglück, die Entbehrung und Selbstmißhandlung als nothwendiges Mittel? Und wenn die höchste Einsicht das Ziel wäre, müßte man nicht eben damit die Steigerung des Glücks ablehnen? und die Gefahr, das Abenteuer, das Mißtrauen, die Verführung als Weg zur Einsicht wählen? ...
Und will man Glück, nun, so muß man vielleicht zu den “Armen des Geistes” sich gesellen.