Herbst 1887 10 [101-206]
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(284) Im Buddhism überwiegt dieser Gedanke: “Alle Begierden, alles, was Affekt, was Blut macht, zieht zu Handlungen fort,”—nur in sofern wird gewarnt vor dem Bösen. Denn Handeln—das hat keinen Sinn, Handeln hält im Dasein fest: alles Dasein aber hat keinen Sinn. Sie sehen im Bösen den Antrieb zu etwas Unlogischem: zur Bejahung von Mitteln, deren Zweck man verneint. Sie suchen nach einem Wege zum Nichtsein und deshalb perhorresciren sie alle Antriebe seitens der Affekte. Z.B. ja nicht sich rächen! ja nicht feind sein!—der Hedonism der Müden giebt hier die höchsten Werthmaaße ab. Nichts ist dem Buddhisten ferner als der jüdische Fanatism eines Paulus: nichts würde mehr seinem Instinkte widerstreben als diese Spannung, Flamme, Unruhe des religiösen Menschen, vor allem jene Form der Sinnlichkeit, welche das Christenthum unter dem Namen der “Liebe” geheiligt hat. Zu alledem sind es die gebildeten und sogar übergeistigten Stände, die im B[uddhismus] ihre Rechnung finden: eine Rasse, durch einen Jahrhunderte langen Philosophen-Kampf abgesotten und müde gemacht, nicht aber unterhalb aller Cultur, wie die Schichten , aus denen das Christenthum entsteht ... Im Ideal des Buddh[ismus] erscheint das Loskommen auch von Gut und Böse wesentlich: es wird hier eine raffinirte Jenseitigkeit der Moral ausgedacht, die mit dem Wesen der Vollkommenheit zusammenfällt [unter] der Voraussetzung, daß man auch die guten Handlungen bloß zeitweilig nöthig hat, bloß als Mittel,—nämlich um von allem Handeln loszukommen.