Herbst 1887 10 [101-206]
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(266) NB.— sie sind den christlichen Gott los—und glauben nun um so mehr, das christliche Moral-Ideal festhalten zu müssen? Das ist eine englische Folgerichtigkeit; das wollen wir den Moralweiblein à la Eliot überlassen (—in England muß man sich für jede kleine Emancipation von der Theologie auf eine furchtbare Weise als Moral-Fanatiker wieder zu Ehren bringen ...) Das ist dort die Buße, die man zahlt ... [Vgl. Arvède Barine, "George Eliot, d'après sa correspondance." In: Revue des deux mondes, 1. Julliet 1885:118.]
Wenn man den christlichen Glauben aufgiebt, zieht man sich das Recht zu den moralischen Werthurtheilen des Christenthums unter den Füßen weg. Diese verstehen sich schlechterdings nicht von selbst: das muß man heute der abgeschmackten Flachheit der englischen Freigeister zum Trotz ans Licht stellen. Das Christenthum ist eine wohl zusammengedachte und ganze Ansicht der Dinge. Bricht man aus ihm den Glauben an den christlichen Gott heraus, so bricht man das ganze System seiner Werthung zusammen: man hat nichts Festes mehr zwischen den Fingern! Das Christenthum setzt voraus, daß der Mensch nicht wisse, nicht wissen könne, was gut und böse für ihn ist: er glaubt an einen Gott, der allein es weiß; die christliche Moral ist ein Befehl aus dem Jenseits, und als solche jenseits der menschlichen Beurtheilung.— Daß die Engländer jetzt glauben, von sich aus zu wissen, was gut und böse ist und folglich das Christenthum nicht mehr nöthig zu haben, das ist selbst die Folge der Herrschaft der christlichen Werthurtheile—bis zum Vergessen ihres Ursprungs, ihres höchst bedingten Rechts auf Dasein.