Frühjahr 1888 14 [101-227]
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Wille zur Macht psychologisch
Einheitsconception der Psychologie.
Wir sind gewöhnt daran, die Ausgestaltung einer ungeheuren Fülle von Formen verträglich zu halten mit einer Herkunft aus der Einheit.
Daß der Wille zur Macht die primitive Affekt-Form ist, daß alle anderen Affekte nur seine Ausgestaltungen sind:
Daß es eine bedeutende Aufklärung giebt, an Stelle des individuellen “Glücks” nach dem jedes Lebende streben soll, zu setzen Macht: “es strebt nach Macht, nach Mehr in der Macht”—Lust ist nur ein Symptom vom Gefühl der erreichten Macht, eine Differenz-Bewußtheit —
— es strebt nicht nach Lust, sondern Lust tritt ein, wenn es erreicht, wonach es strebt: Lust begleitet, Lust bewegt nicht ...
Daß alle treibende Kraft Wille zur Macht ist, das es keine physische, dynamische oder psychische Kraft außerdem giebt ...
— in unserer Wissenschaft, wo der Begriff Ursache und Wirkung reduzirt ist auf das Gleichungs-Verhältniß, mit dem Ehrgeiz, zu beweisen, daß auf jeder Seite dasselbe Quantum von Kraft ist, fehlt die treibende Kraft: wir betrachten nur Resultate, wir setzen sie als gleich in Hinsicht auf Inhalt an Kraft, wir erlassen uns die Frage der Verursachung einer Veränderung ...
es ist eine bloße Erfahrungssache, daß die Veränderung nicht aufhört: an sich haben wir nicht den geringsten Grund zu verstehen, daß auf eine Ver[änderung] eine andere folgen müsse. Im Gegentheil: ein erreichter Zustand schiene sich selbst erhalten zu müssen, wenn es nicht ein Vermögen in ihm gebe, eben nicht sich erhalten [zu] wollen ...
Der Satz des Spinoza von der Selbsterhaltung müßte eigentlich der Veränderung einen Halt setzen: aber der Satz ist falsch, das Gegentheil ist wahr. Gerade an allem Lebendigen ist am deutlichsten zu zeigen, daß es alles thut, um nicht sich zu erhalten, sondern um mehr zu werden ...
ist “Wille zur Macht” eine Art “Wille” oder identisch mit dem Begriff “Wille”? heißt es so viel als begehren? oder commandiren?
ist es der “Wille,” von dem Schopenhauer meint, er sei das “An sich der Dinge”?
: mein Satz ist: daß Wille der bisherigen Psychologie, eine ungerechtfertigte Verallgemeinerung ist, daß es diesen Willen gar nicht giebt, daß statt die Ausgestaltung Eines bestimmten Willens in viele Formen zu fassen, man den Charakter des Willens weggestrichen hat, indem man den Inhalt, das Wohin? heraus subtrahirt hat
: das ist im höchsten Grade bei Schopenhauer der Fall: das ist ein bloßes leeres Wort, was er “Wille” nennt. Es handelt sich noch weniger um einen “Willen zum Leben”: denn das Leben ist bloß ein Einzelfall des Willens zur Macht,—es ist ganz willkürlich zu behaupten, daß Alles danach strebe, in diese Form des Willens zur Macht überzutreten