Frühjahr 1888 14 [101-227]
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Rudimentäre Psychologie des religiösen Menschen
alle Veränderungen sind Wirkungen,
alle Wirkungen sind Willens-Wirkungen. Der Begriff “Natur,” “Naturgesetz” fehlt.
zu allen Wirkungen gehört ein Thäter
rudimentäre Psychologie: man ist selber nur in dem Falle Ursache, wo man weiß, daß man gewollt hat.
Folge: die Zustände der Macht imputiren dem Menschen das Gefühl, nicht die Ursache zu sein, unverantwortlich dafür zu sein
: sie kommen, ohne gewollt zu sein: folglich sind wir nicht die Urheber
: der unfreie Wille (d.h. das Bewußtsein einer Veränderung mit uns, ohne daß wir sie gewollt haben) bedarf eines fremden Willens
Consequenz: der Mensch hat alle seine starken und erstaunlichen Momente nicht gewagt, sich zuzurechnen,—er hat sie als “passiv,” als “erlitten” als Überwältigungen concipirt
: die Religion ist eine Ausgeburt eines Zweifels an der Einheit der Person, eine altération der Persönlichkeit
: insofern alles Große und Starke vom Menschen als übermenschlich als fremd concipirt wurde, verkleinerte sich der Mensch,—er legte die zwei Seiten, eine sehr erbärmliche und schwache und eine sehr starke und erstaunliche in zwei Sphären auseinander, hieß die erste “Mensch,” die zweite “Gott.”
Er hat das immer fortgesetzt, er hat, in der Periode der moral[ischen] Idiosynkrasie, seine hohen und sublimen Moral-Zustände nicht als “gewollt,” als “Werk” der Person ausgelegt. Auch der Christ legt seine Person in eine mesquine und schwache Fiktion, die er Mensch nennt und eine andere, die er Gott (Erlöser, Heiland) nennt auseinander —
Die Religion hat den Begriff “Mensch” erniedrigt; ihre extreme Consequenz ist, daß alles Gute, Große, Wahre übermenschlich ist und nur durch eine Gnade geschenkt ...