Frühjahr 1888 14 [101-227]
14 [199]
Herkunft der Moral
Der Priester will durchsetzen, daß er als höchster Typus des Menschen gilt
daß er herrscht,—auch noch über die, welche die Macht in den Händen haben
daß er unverletzlich ist, unangreifbar ...
daß er die stärkste Macht in der Gemeinde ist, absolut nicht zu ersetzen und zu unterschätzen
Mittel.
Er allein ist der Wissende.
Er allein ist der Tugendhafte.
Er allein hat die höchste Herrschaft über sich
Er allein ist in einem gewissen Sinn Gott und geht zurück in die Gottheit
Er allein ist die Zwischenperson zwischen Gott und den Anderen
Die Gottheit straft jeden Nachtheil, jeden Gedanken wider einen Priester gerichtet
Mittel
Die Wahrheit existirt.
Es giebt nur eine Form, sie zu erlangen: Priester werden
Alles, was gut ist, in der Ordnung, in der Natur, in dem Herkommen, geht auf die Weisheit der Priester zurück.
Das heilige Buch ist ihr Werk. Die ganze Natur ist nur eine Ausführung der Satzungen darin
Es giebt keinen anderen Quell des Guten als den Priester.
Alle andere Art von Vortrefflichkeit ist rangverschieden von der des Priesters z.B. die des Kriegers
Consequenz:
wenn der Priester der höchste Typus sein soll: so muß die Gradation zu seinen Tugenden die Werthgradation der Menschen ausmachen.
Das Studium, die Entsinnlichung, das Nicht-Aktive, das Impassible, Affektlose, das Feierliche.— Gegensatz (die tiefste Gattung Mensch: — — —
Das Furchteinflößen
die Gebärden, die hieratischen Manieren
der Exceß der Verachtung des Leibes und der Sinne
— die Widernatur als Anzeichen der Übernatur
Der Priester hat Eine Art Moral gelehrt: um selbst als höchster Typus empfunden zu werden
Er concipirt einen Gegensatz-Typus: den Tschandala. Diesen mit allen Mitteln verächtlich zu machen giebt die Folie ab für die Kasten-Ordnung
seine extreme Angst vor der Sinnlichkeit ist zugleich bedingt durch die Einsicht, daß hier die Kasten-Ordnung (d.h. die Ordnung überhaupt) am schlimmsten bedroht ist ... Jede “freiere Tendenz” in puncto puncti wirft die Ehegesetzgebung über den Haufen —
| 14 [200] |
| [Vgl. Louis Jacolliot, Les Législateurs Religieux. Manou - Moïse - Mahomet: traditions religieuses comparées des lois de Manou, de la Bible, du Coran, du rituel Ègyptien, du Zend-Avesta des Parses et des traditions Finnoises. Paris: Lacroix, 1876.] |
An dieser Conception ist Einiges bewunderungswürdig: z.B. die absolute Abtrennung der Auswurf-Stoffe der Gesellschaft, mit der Tendenz, sie zu Grunde zu richten. Sie begriffen, was ein lebendiger Körper nöthig hat,—die kranken Glieder ausschneiden ...
1) Sie ist auf eine bewunderungswürdige Weise fern von der schlaffen Instinkt-Entartung, welche man jetzt “Humanität” nennt...
Sodann die Degradation aus einer Kaste in die andere ...
Sodann die Formulirung der Ehe: die Stellung der “Liebesheirath” (die Art der “himmlischen Musiker”: — — —
2) der Kampf gegen den Alcoholismus ... p. 332.
3) ihre vollkommene Würdigung des hohen Alters, des Weibes p 127
4) sie gehen davon aus, den Menschen ehrwürdig zu machen, vor sich selber: sie haben nöthig, selbst das Natürlichste zu transfiguriren, dadurch daß sie die Pflicht, als heilige Observanz dem Gefühl entgegenführen