Frühjahr 1888 14 [101-227]
14 [188]
Die neue Welt-Conception
1) Die Welt besteht; sie ist nichts, was wird, nichts, was vergeht. Oder vielmehr: sie wird, sie vergeht, aber sie hat nie angefangen zu werden und nie aufgehört zu vergehen—sie erhält sich in Beidem ... Sie lebt von sich selber: ihre Excremente sind ihre Nahrung ...
2) Die Hypothese einer geschaffenen Welt soll uns nicht einen Augenblick bekümmern. Der Begriff “schaffen” ist heute vollkommen undefinirbar, unvollziehbar; bloß ein Wort noch, rudimentär aus Zeiten des Aberglaubens; mit einem Wort erklärt man Nichts. Der letzte Versuch, eine Welt, die anfängt, zu concipiren, ist neuerdings mehrfach mit Hülfe einer logischen Prozedur gemacht worden—zumeist, wie zu errathen ist, aus einer theologischen Hinterabsicht
| Die ewige Wiederkunft. | Philosophie |
3) Man hat neuerdings mehrfach in dem Begriff Zeit-Unendlichkeit der Welt nach hinten einen Widerspruch finden gewollt: man hat ihn selbst gefunden, um den Preis freilich, dabei [den] Kopf mit dem Schwanz zu verwechseln. Nichts kann mich hindern, von diesem Augenblick an rückwärts rechnend zu sagen “ich werde nie dabei an ein Ende kommen”: wie ich vom gleichen Augenblick vorwärts rechnen kann, ins Unendliche hinaus. Erst wenn ich den Fehler machen wollte—ich werde mich hüten, es zu thun—diesen correkten Begriff eines regressus in infinitum gleichzusetzen mit einem gar nicht vollziehbaren Begriff eines unendlichen progressus bis jetzt, wenn ich die Richtung (vorwärts oder rückwärts) als logisch indifferent setzte, würde ich den Kopf, diesen Augenblick, als Schwanz zu fassen bekommen: das bleibe Ihnen überlassen, mein Herr Dühring! ...
4) Ich bin auf diesen Gedanken bei früheren Denkern gestoßen: jedes Mal war er durch andere Hintergedanken bestimmt (—meistens theologische, zu Gunsten des creator spiritus) Wenn die Welt überhaupt erstarren, vertrocknen, absterben, Nichts werden könnte, oder wenn sie einen Gleichgewichtszustand erreichen könnte, oder wenn sie überhaupt irgend ein Ziel hätte, das die Dauer, die Unveränderlichkeit, das Ein-für-alle-Mal in sich schlösse (kurz, metaphysisch geredet: wenn das Werden in das Sein oder ins Nichts münden könnte) so müßte dieser Zustand erreicht sein. Aber er ist nicht erreicht: woraus folgt ... Das ist unsere einzige Gewißheit, die wir in den Händen halten, um als Correktiv gegen eine große Menge an sich möglicher Welt-Hypothesen zu dienen. Kann z.B. der Mechanismus der Consequenz eines Finalzustandes nicht entgehen, welche Thompson ihm gezogen hat, so ist damit der Mechanismus widerlegt.
Philosophie
5) Wenn die Welt als bestimmte Größe von Kraft und als bestimmte Zahl von Kraftcentren gedacht werden darf—und jede andere Vorstellung bleibt unbestimmt und folglich unbrauchbar—so folgt daraus, daß sie eine berechenbare Zahl von Combinationen, im großen Würfelspiel ihres Daseins, durchzumachen hat. In einer unendlichen Zeit würde jede mögliche Combination irgendwann einmal erreicht sein; mehr noch, sie würde unendliche Male erreicht sein. Und da zwischen jeder “Combination” und ihrer nächsten “Wiederkehr” alle überhaupt noch möglichen Combinationen abgelaufen sein müßten und jede dieser Combinationen die ganze Folge der Combinationen in derselben Reihe bedingt, so wäre damit ein Kreislauf von absolut identischen Reihen bewiesen: die Welt als Kreislauf der sich unendlich oft bereits wiederholt hat und der sein Spiel in infinitum spielt.
Diese Conception ist nicht ohne weiteres eine mechanistische: denn wäre sie das, so würde sie nicht eine unendliche Wiederkehr identischer Fälle bedingen, sondern einen Finalzustand. Weil die Welt ihn nicht erreicht hat, muß der Mechanismus uns als unvollkommene und nur vorläufige Hypothese gelten.